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Wie Schnee zu innerer Heimat führt

Der erste Schnee des Winters.

Ich finde Schnee schön. Den ersten Schneefall ganz besonders, wahrscheinlich auch, weil ich dann meine Mama anrufen und ins Telefon „Erster Schnee“ jubeln kann. Irgendwie ist das ein liebevolles Ritual zwischen uns geworden…. Sobald der erste Schnee fällt, wird angerufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht sie diejenige war, die mit diesem Ritual begonnen hat. Umso mehr freue ich mich über ihren Anruf, der, seit ich am Niederrhein wohne, meistens vor meinem erfolgt. Ich kann dann förmlich ihr verschmitztes Lachen sehen, wenn sie meine Stimmlage imitiert und „es schneiiiiit“ in den Hörer ruft.

Einen ähnlichen Schnee- Glücksimpuls hatten heute anscheinend noch mehr Menschen. Auf meiner sonntäglichen Walkingrunde bin ich noch nie so vielen Menschen begegnet wie heute, schon gar nicht im Winter, und nicht um diese Uhrzeit. Was ich heute beobachten konnte, hat mich in Staunen versetzt. Alle Menschen, die alleine unterwegs waren, hatten ein Lächeln im Gesicht und ein fröhliches „Gute Morgen“, egal ob Mann, Frau mit oder ohne Hund. Der gleiche fröhliche Gruß von gleichgeschlechtlichen Gruppen, wie etwa 2 männliche Jogger oder kleine Damengrüppchen auf Spazierrunde. Anscheinend birgt der erste Schnee für viele Menschen ein großes Potenzial für innerer Zufriedenheit und Glück. Denn nichts anderes ist es doch, wenn man mit sich und der Welt im Reinen ist und dieses Gefühl teilt. Sei es noch so banal wie ein paar wenige Schneeflocken.

Auf meiner Runde habe ich aber noch weitere Menschen getroffen. Alle schienen den besonderen Moment zu genießen, sie waren ja alle wegen des Schnees so früh unterwegs. Mir ist zumindest kein anderer offensichtlicher Grund aufgefallen. Und doch war der Ausdruck auf den Gesichtern bei den Familien und den Paaren ein anderer. Hier wurde nicht „fremd“ gegrüßt, und es wurde auch nicht das Lächeln auf des Anderen Gesichts gesucht.

Heißt das jetzt, dass diese Menschen keine innere Zufriedenheit gefühlt haben? Und warum? Oder wollten sie das Gefühl nur nicht mit Fremden teilen?

Am Tag zuvor habe ich mich mit einer Freundin über die Wetterprognose unterhalten und ihr gesagt, dass ich mich auf den Schnee freue. Daraufhin hat sie nur das Gesicht verzogen und mir eine Liste der negativen Auswirkungen von Schnee präsentiert. Ich hatte sie dann gefragt, ob es ihr keinen Spaß macht, durch die Winterlandschaft zu spazieren, die gute Luft und den Sonnenschein dabei zu genießen, oder vielleicht den heißen Tee vor dem Kamin, wenn man durchgefroren zurück ins Haus kommt. Nach einem kurzen Moment des Überlegens und Vorstellens, hat sie zugegeben, dass ihr diese Dinge durchaus gefallen. Skifahren würde sie ja auch gerne. Ein Glücksgefühl, auch nicht klitzeklein, konnte ich aber nicht erkennen.

winterlandschaft

Beim Spaßbericht meiner siebenjährigen Nichte am Sonntagnachmittag hingegen, hat der Schnee-Glücksimpuls wieder voll durchgeschlagen. Sie wohnt in Nürnberg, dort liegt bereits einiges mehr an Schnee, und sie kam gerade von einer Schneeballschlacht, als ich mit meinem Bruder telefonierte. Wie toll Schnee wäre, und das spielen im Schnee und wieviel Spaß das rodeln macht (es gibt auch in Nürnberg keine hohen Berge). Sie war total aufgekratzt und hat mir immer wieder vorgeschwärmt wie schön Schnee ist. Ohne Zweifel musste sie dieses Gefühl teilen, und zwar mit jedem, der es hören wollte.

Wo liegt der Unterschied?

Der Unterschied liegt an der emotionalen Festplatte und der Achtsamkeit eines Menschen.

Meine Nichte hat zweifelsohne nur schöne Erinnerungen an Schnee und diese Erinnerungen unter Spaß abgespeichert. Bei meiner Freundin überwiegen anscheinend die Negativerfahrungen von Schnee. Die Erinnerung an eine schöne Winterwanderung oder die Erinnerung von Schnee auf der Skipiste hat keine Chance im Alltag, wo Neuschnee meist Verkehrschaos bedeutet. Der ursprüngliche Speicherplatz von Spaß wurde bei ihr irgendwann überschrieben, und zwar mit nervig. Da meine Freundin noch immer gerne zum Skifahren geht, wurde Spaß nicht vollkommen gelöscht, der neue Speicherplatz ist logischer Weise nur prominenter, und alltagstauglich.

„Meine Nichte handelt naiv und impulsiv, zwei der schönsten Attribute des Kindseins. Meine Freundin handelt unachtsam, leider eins der normalsten Attribute im Leben eines Erwachsenen.“

Viel zu selten nehmen wir uns die Zeit zum Innehalten, zum Spüren wie es uns geht, und vor allem, warum es uns so geht. Leben wir in Gemeinschaft bleibt hierfür meistens noch weniger Zeit. Neben Beruf und Familie müssen wir den Alltag meistern und suchen verständlicher Weise Erholungsphasen in einfachen Ablenkungen. Wie man vielleicht am Verhalten der Familien und Paare sehen konnte. Eventuell ist auch das Gefühl, dass wir uns von Dritten erhoffen, oder bekommen, sogar wichtiger.

Zu wissen, dass der erste Schnee des Winters eines meiner mentalen Triggerpunkte für innere Heimat bedeutet, ist ein wertvolles Geschenk. Dass ich mir dieses Geschenk höchstwahrscheinlich irgendwann einmal selber gemacht habe, und zwar ganz naiv, erfüllt mich mit Stolz. Zugleich gibt es mir den Mut nach weiteren Triggerpunkten meiner emotionalen Festplatte zu suchen.

Eigentlich bedarf es dafür nur ein kleines bisschen Achtsamkeit, für sich und den Moment.

Achtsamkeit bedeutet beobachten ohne bewerten, und darüber gibt’s im nächsten Artikel mehr.

Schreib mir doch in der Zwischenzeit, wie es Dir beim ersten Schnee geht? Oder kennst Du ähnliche Situationen? Hinterlass doch hier ein Kommentar zu Deinem Thema.

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